Erholung und Eisenbahn
in der Ukraine im Mai 2001

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Es war mal wieder so weit, der Sommer nahte und damit auch unser Urlaub. Natürlich sollte es in die Ukraine gehen. Zuerst planten wir eigentlich mit dem Dzherelo-Sonderzug mitzufahren. Jedoch sollte diese Tour zu Pfingsten beginnen und genau an dieser Stelle war die Cargourlaubsplanung noch nicht 100%ig. Also wurde sicherheitshalber die Teilnahme abgesagt.
Bereits im Februar war Olga zu uns gekommen und jetzt gab es das nächste Problem: ihr Visum lief ab, bevor wir eigentlich Urlaub hatten.
Also noch mal in der Dienststelle vorgesprochen und siehe da, der gewünschte Urlaubstermin war auf einmal kein Problem mehr.
Glück gehabt, die Planung konnte beginnen!

Ein paar Tage in Kiew, dann etwas Verchnedneprovsk, auf jeden Fall Krim und eventuell noch einen Ausflug zu einer sehr interessanten Werklok. Dies war unser grober Plan, welcher nun in den passenden Rahmen zubringen war. Gar nicht so einfach, schließlich war es unsere erste Fahrt auf eigene Faust.
Die Hinfahrt verlief problemlos, bis der "Kashtan" in die ukrainische Hauptstadt bei strömenden Regen einfuhr. Eigentlich bemerkte keiner das wir schon da waren, denn wir befanden uns inmitten einer Kraterlandschaft. Bauen und Fahren wird hier anders als in Deutschland interpretiert. Kurz gesagt: wir wollten gleich wieder zurückfahren. Dieses Gefühl verstärkte noch ein unverschämter Gepäckträger, welcher unsere Situation ausnutzte um sich die Taschen zufüllen.
Baustelle Kiew Passajirskiy im Mai 2001
Rein in das nächste Taxi und ab zur Unterkunft, nur schnell weg aus diesem Chaos!
abenteuerliche Gleisübergänge
Die geruhsame Nacht machte uns mutig, man beschloss an den "Ort des Grauens" zurückzukehren und sich das Ganze einmal bei Tageslicht anzusehen.
Der eigentlich in gutem Zustand befindliche Kiewer Hauptbahnhof musste unbedingt bis zum "10. Jahrestag der Unabhängigkeit" rekonstruiert werden, inklusive aller Gleise, Bahnsteige und Personentunnel. Die Fotoausbeute war sehr zufrieden stellend, da reger Bauzugverkehr mit interessanten Fahrzeugen herrschte. Am Abend ließen wir den Tag zusammen mit Freunden ausklingen, welche uns am nächsten Tag ihre Stadt zeigen wollten.
Andrejewskij Spusk
Chreschtschatyk, Andrejewskij Spusk mit Souvenirmarkt und das bekannte Höhlenkloster Kiewo-Petscherskaja Lawra wurden besichtigt.
Später wurden bei einem zünftigen Picknick gegrillte Hühnchen gegessen und uns wurde eine Kopie des offiziellen Dzherelozug-Fahrplans überreicht. Den nächsten Tag ließen wir ruhiger angehen und bummelten durch die Geschäfte der Hauptstadt. Am Abend war die Abreise nach Verchnedneprovsk angesagt, wo wir auch wohlbehalten am nächsten Morgen eintrafen. Nach dem obligatorischen Begrüßungstrunk verlief dieser Tag wenig spektakulär. Das sollte sich am folgenden gewaltig ändern!
Eine neue Ellok der Baureihe DE1

Eine Erkundung des Bahnhofs war schon längst überfällig, dieser liegt ca. 10km außerhalb der Stadt an der Hauptmagistrale Kiew - Dnepropetrovsk.
Interessanter und reger Zugverkehr war also so gut wie sicher. Für eventuell auftretende Probleme wurde Olga mitgenommen. Wir knipsten und sie las die "Interesnaja Gazeta". (diesen Namen finden wir erwähnenswert)
Schon nach kurzer Zeit wurde unser Tun kritisch beäugt. Schließlich wurden wir von einer Bahnbediensteten angesprochen: "Lokführer meldeten, dass sie von Spionen fotografiert werden!" Nur schwer war die Frau von der Ungefährlichkeit

Personal im Bahnhof Verchnedneprovsk
unserer Tätigkeit zu überzeugen. Eine ihr überlassene Eisenbahnzeitschrift aus Deutschland brachte den Durchbruch. Es folgte eine Einladung zu Speis und Trank im Bahnhofsgebäude. Von dem Zeitpunkt an war an Beobachtung der Züge nicht mehr zu denken. Als die Sonne schon sehr tief stand gingen wir noch einmal kurz zu einer Fotosession an die abgestellte Rangierlok. Dann war es auch schon Zeit Abschied von unseren netten Gastgebern zu nehmen und den Heimweg anzutreten, nicht ohne das Versprechen abzugeben beim nächsten Besuch wieder vorbeizukommen. Zu Hause blieb uns keine Zeit, nach einer kurzen Pause ging es mit Freunden weiter in eine Bar am Dneprufer. Uff, das war hart, aber zum Schwächeln war keine Zeit. Der nächste Tag beinhaltete nämlich einen besonderen Programmpunkt
- die Suche nach einer Werklok. Diese war aus einer Diesellok der Baureihe TE3 in eine Ellok umgebaut worden.
Ein Bekannter wusste ungefähr, wo das Fahrzeug sich befinden müsste. Nun gab es aber ein Problem, er war nicht zu erreichen. Nach einigem Hin und Her entschlossen wir uns es auf eigene Faust zu versuchen, denn unser Fahrer wartete.
Eine umgebaute TE3 als Werklok Beim Blick in den Eisenbahnatlas hätte eigentlich die Sinnlosigkeit dieser Unternehmung auffallen müssen, denn das Gebiet um Krivoy Rog besteht aus einem dichten Wirrwarr an Industriegleisen. Im allerletzten Augenblick rief Andrej doch noch an. In einem Lada ging es über holprige Strassen zum vereinbarten Treffpunkt. Unter orstkundiger Anleitung erreichten wir endlich eine Werksstrasse, die Bahnanlagen waren zu sehen, als unsere Fahrt abrupt an einem Schlagbaum mit dazugehörigem Wachpersonal endete.
Das war es wohl, kein Durchkommen! Doch unser ukrainischer Freund gab so schnell nicht auf, in einem großen Bogen wurde das Werk umfahren und siehe da:
Völlig ungehindert spazierten wir von hinten in die Industrieanlage!
Das Objekt unserer Begierde war der A-Teil von TE3-6917, welcher dort als ferngesteuertes Verschiebegerät eingesetzt wird. Die Steuerung erfolgt u.a. über Kontakte, die von der Lok mit extra angebauten Bügeln betätigt werden.
Nun hieß es schnell keine Zeit verlieren, denn niemand von uns wollte es riskieren die Bekanntschaft mit dem Werkschutz zu machen. Man konnte davon ausgehen, dass der sich dann nicht so einfach beruhigen lassen würde wie die netten Leute am Vortag. Zu Gute kam uns dabei, dass an Pfingsten in der Erzverladung nicht gearbeitet wurde. Rasch wurden Fotos geschossen und das Gelände wieder verlassen.
Diese Aktion war für uns ein voller Erfolg. Überglücklich trafen wir uns am Abend dann noch einmal mit unserem Fahrer und dessen Frau in einer Bar. Warum man wegen eines Schrotthaufens so weit fährt war für alle Einheimischen unklar.
Sie werden uns wohl nie verstehen ...
Uuurrllooooob Verständlicher erschien da schon unser Wunsch ein paar Tage auf der Krim auszuspannen. In Alupka sollten wir es versuchen wurde uns geraten. Mit dem Nachtzug ging es dann nach Simferopol und von dort mit einem Taxi weiter in den besagten Ort. Die Quartiersuche entpuppte sich als schwierig. Den Höhepunkt dabei bildete eine sauteure Blechgarage, die aussah als ob sie jeden Augenblick den Hang herunter rutschen wollte. Hier wurde Marktwirtschaft etwas falsch verstanden und sogar dem Taxifahrer wurde es zuviel . Er schlug vor es in Mizchor zu versuchen. Wir hatten eh nix zu verlieren, von besseren Vorschlägen gar nicht zu reden.
Blick vom Balkon
Gleich der erste Versuch erwies sich als Volltreffer. Eine Babuschka vermietete während der Saison ihre große Wohnung für einen guten Preis. Purer Luxus war der 80l Boiler, wenn nicht gerade wieder Wassersperre herrschte. Ein Problem, welches jeden Sommer auf der Halbinsel auftritt. Für den Notfall waren gefüllte Bottiche in Bad und Küche bereitgestellt!
Den Nachmittag verbrachten wir mit gepflegtem Abhängen auf der Strandpromenade. Viele Bars luden zum Verweilen ein, der Geruch von frisch gegrilltem Schaschlik machte Appetit. Richtig Probleme machte immer wieder die Suche nach dem „Stillen Örtchen“. Die Frage danach wurde uns in einem Restaurant mit "Natürlich" beantwortet. Es entpuppte sich dann als Personaltoilette, nur wir als Deutsche durften sie auch benutzen. Über die Öffentliche Toilette, welche normalerweise zur Verfügung stand, legen wir lieber einen dicken Mantel des Schweigens und hoffen, dass der auch den Geruch verschließt. Von solchen Sachen ließen wir uns nicht den Abend vermiesen und schauten weiter. In der Bar "Alligator" stand ein solcher präpariert in der Ecke und in den Aquarien und Terrarien tummelten sich die buntesten Exoten dieser Welt. Das Ai Petry Massiv
Blick vom Ai Petry auf Mizchor

Die folgenden Tage waren zwar sonnig, jedoch zu kalt für den Strand. Also unternahm man eine Exkursion nach Jalta. Auch in unserem Urlaubsort gab es etwas zu entdecken! Eine Seilbahn fährt von dort auf den 1200m hohen Ai Petry. Die Talstation war nicht einfach zu finden. Nach einigen Kilometern hatten wir sie entdeckt. Während ein älteres deutsches Ehepaar sich Sorgen um die Sicherheit der Bahn machte, konnten wir die Abfahrt kaum erwarten. Oben vermuteten wir eigentlich nichts außer einer guten Aussicht und hatten dafür das Teleobjektiv im Gepäck – aber weit gefehlt. Geschäftstüchtige Krimtataren erwarteten die Touristen.

Wer ist hier nun das größte Kamel?
Maik bei der Weinprobe

Das man gegen einen kleinen Obolus auf einem Pferd reiten kann war nicht ungewöhnlich, aber was macht ein "Scheich" mit einem Kamel da oben? Ein paar Hriwna wechselten den Besitzer und wir durften mit dem lustigen Gespann fotografiert werden. Die Gedanken des Tieres würden uns trotzdem interessieren ...
Außerdem waren große Baracken aufgebaut, in den Auslagen hausgemachte Köstlichkeiten. Jedes Mittel war recht Käufer zu werben. Schon bei der ersten blieben wir hängen: Weinverkostung war angesagt! Wir kehrten ein und ließen uns noch Schaschlik reichen. Also, wer es schafft da durch zu gehen, ohne auch nur etwas anzunehmen bekommt eine Mark von uns. Gut gestärkt traten wir wieder den Weg nach unten an. Nun war es noch nicht so spät und nach Hause wollte ebenfalls keiner. Da fiel uns das kleine Schloss ein, welches wir auf dem Weg nach Jalta gesehen hatten. Ein Taxi geentert und los ging es.

Das Schwalbennest Niemand wusste eigentlich genau wie unser Ziel hieß, aber der Fahrer konnte unserer Beschreibung folgen. Das Schlösschen trägt den Namen Schwalbennest. Der deutsche Baron von Stengel erwarb 1911 den Felsen samt Gebäude und ließ es für seine Geliebte zu einem kleinen Märchenschloss umbauen. Heute beherbergt es ein Restaurant. Uns zog es allerdings mehr in ein Freisitzcafe in der Nähe, den Ausblick und ein kühles Slavutich - Bier genießend. Ist schon ein schöner Flecken Erde ...
Mit einem Marschrutka (Linien - Sammeltaxi) ging es zurück nach Mizchor.
Nach diesen Eindrücken nutzten wir den folgenden Tag zur Erholung am Strand.
Das Schwalbennest
Das war auch nötig, denn einen Tag später traf der Dzherelozug in Sewastopol ein, wo ein Überraschungsauftritt unsererseits geplant war. Natürlich war uns schon zu Ohren gekommen, dass einige die Cargozwilinge lieber nicht sehen wollten, aber das konnten wir verschmerzen. Am Vormittag ging es mit einem Taxi los. Auf dem Weg entdeckten wir so manchen Ort, den man ruhig noch einmal besichtigen sollte.
Jetzt aber lief uns die Zeit davon.
Nach der Ankunft suchten wir vergeblich nach einem Fotomotiv für den einfahrenden Zug, überall Sperrgebiet! So warteten wir im Bahnhof. Das wurde belohnt durch viele ChME3 im Bauzugeinsatz. Endlich war es soweit, der Sonderzug traf ein. Wir wurden freudig vom Personal und einigen Mitreisenden begrüßt und zur Stadtrundfahrt eingeladen. Das konnten wir nicht ablehnen.
Viel Interessantes wurde dabei über die im 2. Weltkrieg stark umkämpfte und zerstörte Stadt berichtet. Danach hatten alle Freizeit, welche wir nutzten um einige Gerüchte aus der Welt zu räumen. Aus einem gemeinsamen Abend wurde leider nichts mehr, denn wir mussten zurück. Es ist nicht so einfach ein Taxi für Überlandfahrten bei Dunkelheit zu bekommen, aber es gelang.
Sewastopol

Es waren nun noch zwei Tage auf der Krim, die wir wieder ganz der Erholung widmeten. Unsere Rückfahrt führte von Sewastopol über Dnepropetrovsk und Kiew weiter nach Berlin. In Dnepropetrovsk trennten sich auch die Wege von Olga und Rico. Wir brachten sie noch zur Elektrichka (Elektrotriebzug), dann waren die Cargozwillinge wieder allein. Nun galt es noch ein wenig Zeit totzuschlagen bis unser Zug abfuhr. Ein paar Bier später saßen wir im "Dnipro" und rollten in Richtung Kiew. Der Übergang dort auf den "Kashtan" klappte problemlos, so dass die Reise Richtung Deutschland ohne Schwierigkeiten verlief.
Ach ja, da war noch was: Olga und Rico waren nun sicher, sie erwarten Nachwuchs!

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